Das erste Instrument, das erste Lied

Im baden-württembergischen Blaubeuren wurde eine aus Schwanenknochen gefertigte Flöte ausgegraben, deren Alter auf 42.000 Jahre errechnet werden konnte. Das ist eine Zeit, die von den Archäologen als Mittelpaläolithikum bezeichnet wird. Es ist die Zeit, als sich der Cro-Magnon-Mensch in Europa ansiedelt und langsam den Neandertaler verdrängt. Es war aber auch die letzte Kaltzeit im Alpenraum, zu dem Blaubeuren zählt. Die Landschaft war von riesigen Gletschern geprägt, die weit in die Tiefebenen hineinreichten.

In dieser eher unwirtlichen Umgebung hatten die damaligen Menschen bereits ein Instrument, das nicht einfach nur einen Rhythmus erzeugt, sondern Melodien, ganze Tonfolgen. In einer kalten Welt, in der das Mammut und der Höhlenbär zur Jagdbeute der Menschen zählten, saßen die Jäger und ihre Familien um ein wärmendes Lagerfeuer und spielten Musik. Vielleicht werden in der Zukunft weitere Funde gemacht, die noch ältere Musikinstrumente zum Vorschein bringen. Klar ist auf jeden Fall, das der Cro-Magnon-Mensch wie auch der Neandertaler keine barbarischen Wilden waren, denn um eine Flöte zu bauen, die nur dem Zweck des Musizierens dient, benötigt es kulturelle und soziale Reife.

Das erste niedergeschriebene Lied der Welt, das bisher entdeckt wurde, ist wesentlich jünger. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass sich zuerst eine Schriftsprache entwickeln musste. Die Notwendigkeit einer Schrift ergab sich jedoch erst zu dem Zeitraum, als die Menschen begannen, untereinander Handel zu treiben. Der Handel wiederum basiert auf der Tatsache, dass aus den Jägern und Nomaden langsam Siedler wurden, die Städte und Dörfer gründeten. Tatsächlich sind viele Archäologen der Meinung, dass die vermutlich erste echte Schrift dieser Welt einem Zweck diente, der sich weit weg von der Musik bewegt. Es handelt sich um die Buchführung im alten Mesopotamien, die vor etwa 5500 Jahren der Verwaltung des Reiches diente. Zu diesem Gebiet im Nahen Osten gehört auch Syrien und dort fanden Archäologen das erste bisher entdeckte niedergeschriebene Lied der Welt.

In der Nähe des heutigen Latakia am Mittelmeer wurde in den 1950er-Jahren von Altertumsforschern eine 3400 Jahre alte Tontafel ausgegraben, mit deren Keilschrift zuerst niemand etwas anfangen konnte. Es dauerte Jahrzehnte, bis die Schrift entschlüsselt war und dann stellten die Kryptografen erstaunt fest, das es sich um eine Hymne an die Gottheit Nikkal handelt, komplett mit Noten und Text, geschrieben für eine neunseitige Leier.

Die Musik der Religionen

In den Jahrtausenden der kulturellen Entwicklung wurden der Gesang und das Musizieren vor allem aus religiösen Gründen zelebriert. Zumindest ergeben dies die Überlieferungen und Funde in der Altertumsforschung. Wie stark die Musik als reine Unterhaltung vertreten war, lässt sich erst mit umfassenderen Aufzeichnungen der Antike verifizieren. Auf der gesamten Welt entwickelte sich unabhängig voneinander das, was heute die Musikszene genannt wird. In Süd- und Nordamerika genauso wie in Indien, China, Afrika und Europa. Vor allem die Hochkulturen waren prägend. Für Europa waren dies zunächst einmal Griechenland und das römische Imperium. Den Kaisern auf der italienischen Halbinsel und Konstantinopel folgte eine wirre Zeit der Völkerwanderungen, der kleineren und größeren Kriege und letztlich das mittelalterliche und völlig zersplitterte Europa.

Der Gesang des Mittelalters

Wiederum ist es die Religion, die die Musik etwa ab dem 9. Jahrhundert prägt. Sakrale Lieder wurden in Kirchen und Klöstern gesungen und wieder entzieht sich der Forschung weitgehend, wie es sich mit der Musik verhielt, die nur zum Zweck der Unterhaltung erdacht und komponiert wurde. Geschichte wird von den Mächtigen geschrieben. Erst im 11. Jahrhundert findet sich mit dem Minnegesang endlich eine überlieferte eigenständige Form der Musik, die den menschlichen und nicht den göttlichen Bedürfnissen entspricht.

Die Vorreiter dieser „Musikrichtung“ waren Franzosen. Der erste Trobador oder Minnesänger in Europa, dessen Lieder keinen religiösen Zweck besaßen, war Wilhelm IX. Herzog von Aquitanien, was in etwa dem Gebiet um das heutige Bordeaux entspricht. Der Minnegesang sollte nun über Jahrhunderte die einzige Musikform bleiben, die neben den Kirchenliedern bestehen durfte und dies auch nur, weil die Minnesänger fast durchweg Adlige waren und somit mächtig genug, der Kirche die Stirn zu bieten. Trotzdem mussten selbst Herzöge aufpassen, dass die Texte ihrer Lieder keine Blasphemie waren. Zu dieser Zeit bedeutete etwa die Exkommunikation, der Ausschluss aus der Kirche, dass die betreffende Person zum Freiwild erklärt wurde. Jeder hatte das Recht, den Exkommunizierten zu töten.

Die Renaissance, Aufbruch in die Neuzeit

Im 15. Jahrhundert beginnen sich die Menschen in Europa langsam aus den Fesseln der religiösen Umarmung zu lösen. Es ist der Zeitpunkt, an dem aus heutiger Sicht die Vorstufe zur klassischen Musik entstand, die sogenannte alte Musik, wobei die Kirche weiterhin eine bedeutende Rolle spielt. Viele Komponisten der Klassik schufen kirchliche Werke oder besaßen sogar eine Stellung in der Kirche. Die Renaissance war vor allem der zeitgeschichtliche Rahmen, indem viele verschiedene Musikinstrumente entstanden, die es ermöglichten, das musikalische Repertoire enorm zu erweitern. So etwa die Violine oder die Querflöte.

Die Orgel, als mächtiges Instrument der Kirche, wurde schon viel früher erdacht. Der Ägypter Ktesibios erfand um 246 v. Chr. die Hydraulis, ein Vorläufer der Orgel. Die Römer setzten das Instrument später zur Untermalung der Schaukämpfe und Hinrichtungen in ihren Arenen ein. Ähnlich dem Orgelspiel in den ersten Kinosälen mit Stummfilmen des 19. Jahrhunderts. Nur waren die 2000 Jahre früheren römischen Vorstellungen in sehr realem 3D.

Zurück in die Renaissance oder besser in das darauf folgende Barock. Hier nun finden sich Komponisten, deren Werke bis heute nicht nur erhalten sind, sondern nach wie vor gespielt werden. So zählen zu den Barockkomponisten unter anderem:

  • Claudio Monteverdi
  • Johann Sebastian Bach
  • Georg Friedrich Händel
  • John Blow
  • Jacob van Eyck
  • Antoni Vivaldi
  • Domenico Scarlatti
  • Michael Praetorius
  • Franz Xaver Richter
  • Georg Phillip Telemann

Ab etwa Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt das Zeitalter der Klassik. Fast genau in der Mitte des 18. Jahrhunderts, am 27. Januar 1756, wird in Salzburg ein Kind geboren, das wie kein anderes Musikgeschichte schrieb. Wolfgang Amadeus Mozart war ein unglaubliches Musikgenie. In seiner kurzen Lebenszeit von gerade einmal 35 Jahren schuf er 21 Opern, 13 Violinkonzerte, eine Vielzahl von Orchesterwerken, Liedern und Sinfonien. Es waren Hunderte musikalische Kompositionen. Um den Überblick über das Gesamtwerk Mozarts zu erhalten, richtete im Jahr 1862 Ludwig von Köchel das gleichnamige Köchelverzeichnis ein. In ihm sind 626 Kompositionen des Jahrtausendgenies aus Salzburg aufgeführt. Mozarts Werke besitzen eine geradezu sagenhafte Wirkung und haben ihre Strahlkraft bis in die Neuzeit erhalten.